In Lend biegen wir ab nach Dienten am Hochkönig. Dieser Streckenabschnitt lässt nichts zu wünschen übrig. Links, rechts, Kühe, Ziegen, kaum Besiedelung, und wenn, dann ohne übertriebene Dekorierung, gemähte Wiesen und 15 Kilometer nur bergauf. Plötzlich erstarren wir. Über unseren Köpfen eine Kirche auf dem Dorfplatz und dahinter nackte Felswände, wir genießen es in vollen Zügen. 14-%-Anstieg - so steil war’s noch nie, da ist Muskelkraft gefordert. Die darauffolgende Abfahrt mit 15-%-Neigung erwischt uns aber sozusagen kalt, und ich muss mit eingelegtem zweiten Gang mit ansehen, wie Peter dabei ist, den Abstand zwischen uns verdächtig schnell zu vergrößern. Wäre da nicht dieser Holzablageplatz gewesen, hätte Hosta sich in einer der Kurven wohl furchtbar auf die Frese gelegt. Schon von weitem sehe ich Rauch aus der hinteren Bandbremse aufsteigen, das Stahlband ist schon ganz blau, und auch die BMW sondert schon ziemlich üble Gerüche ab. Bis Mühlbach geht’s dann gemächlich zu, ohne Motorkraft und einmal mehr unter Anwendung der Trägheitsgesetze. Der scharfe Galopp aber gefällt meines Javurek gar nicht, sie will nicht anspringen. Wir wechseln die Kerze, lassen den Vergaser ab… nichts. Dann machen wir’s eben etwas gründlicher. Wir stellen fest, dass der Magnetzünder keinen Funken erzeugt, was wir durch eine Verlagerung des abgenutzten Kontakts zu beheben versuchen. Der Motor gibt zwar schon Laute von sich, aber so richtig gefällt uns die Sache nicht. Es dauert eine ganze Weile, bis wir merken, dass auch die Vorzündung auseinandergegangen war. Wir verschieben also die Antriebskette um einen Zahn, und die Sache ist gegessen.
Wir machen einen Zwischenstopp im Museum für Militärtechnik und fahren dann die mir schon hinreichend bekannte Serpentine nach Bischofshofen hinunter. Nach fünf Kilometern biegen wir in die Salzburger Dolomitenstraße ab und fahren in Richtung Dachsteingruppe. Der Javurek nimmt in ungekannter Manier Tempo auf. Bergauf noch schneller als bergab. Links steile Felswände, rechts ein Gebirgsbach. Zusammengeduckt wie ein Soldat unter Geschützfeuer, in den scharfen Straßenkrümmungen mit angehobenem Beiwagenrad, versuche ich hier, mit Hosta, der jetzt erst richtig in Fahrt kommt, vergebens Schritt zu halten. An einem Friedhof in Hüttau machen wir Halt, in einem Appartement kochen wir das erste Mal selbst. Auf der Kochplatte machen wir uns zwei Konserven mit Erbsen warm, Camembert, ein Laib Brot und ein Sixpack, was braucht man mehr? Die obligatorische Dusche, und kurz nach neun lieg’ ich auch schon im Bett. Plötzlich spüre ich einen Krampf im linken Bein. Kaum bin ich diesen dank ein paar Dehnungsübungen wieder los, meldet sich auch schon das rechte Bein. Mein Kumpel quittiert das nur mit einem spöttischen Grinsen. Da musst du jetzt durch, umsonst ist der Tod! Hättest du eine kleinere Keilriemenscheibe genommen, könnten wir das Ganze genießen, ohne in die Pedale steigen zu müssen. Damit nicht genug, raubte er mir in der Nacht durch sein unglaubliches Geschnarche auch noch den Schlaf.
Um acht in der Früh tragen wir meiner Javurek aus der Diele die Treppe hinunter nach draußen, und wenn ich die Keilriemenscheibe nun schon mal mithabe, kann ich sie ja eigentlich auch mal ausprobieren. Mit eingeübten Bewegungen und der Souveränität eines Flugzeugmechanikers führe ich mithilfe einiger Hilfsmittel eine Reihe von Spezialoperationen durch (Zusammensetzen und Einbau der geteilten Keilriemenscheibe, Ausbau und Montage des Antriebsmagneten, Verlagern des Rades, Verlängern der Kette, Einstellen des Bremsgestänges und des Spanners). Wir waschen uns in der Feuerwache die Hände und machen uns dann auf den Weg. Guten Mutes treten wir in die Pedale – vergebens. Der Motor verweigert den Dienst. Nach ein paar Routinehandgriffen stellen wir fest, dass der Magnet keinen Strom erzeugt. Der Kontakt scheint in Ordnung zu sein. Daher ziehen wir die Isolierausführung heraus, und versuchen, die Kohlebürste indirekt mittels eines Schraubenziehers zu verschalten. Es funktioniert! Und so fliegt Pertinax in den Wald. Wer sich vorbereitet hat, kann nicht unangenehm überrascht werden. Ich greife in den Tornister und nehme ein für diesen „erwarteten“ Fall grob bearbeitetes Stück Silon heraus, und da ist auch schon der so ersehnte Funke. Es ist schon 10 Uhr durch, als wir losfahren. Die Geschwindigkeit geht wegen der kleineren Keilriemenscheibe um 15-%-auf 35 km/h zurück, proportional dazu nimmt aber auch die Zugkraft bergauf zu.
Der Weg zum Hallstätter See führt durch ein Naturschutzgebiet, in Richtung Stadt durchqueren wir einen engen zwei Kilometer langen, in das Felsmassiv geschlagenen Tunnel. Hallstatt ist voller Touristen, vor allem Asiaten, genauso voll ist das Restaurant, allerdings mit Wespen, was wir zweimal selber zu spüren bekommen. Wir haben es nicht eilig, und so umfahren wir den See von Süden aus und machen uns dann auf den Weg durch das Flusstal der Traun. Nach einer 14-%-Steigung lassen wir den Motor abkühlen. Ein Motorradfahrer hält bei uns an und zeigt mit einem Lächeln auf ein in der Ferne blinkendes Schild – auf einem Abschnitt von 500 m erwartet uns eine 23-%-Steigung!
Peter studiert die Karte und überlegt, ob man die nicht umfahren kann. Ich dagegen finde an dieser Herausforderung durchaus Gefallen. Ich gebe Vollgas und trete wie ein Verrückter in die Pedale. Peter schüttelt ungläubig mit dem Kopf und zieht den Hut vor mir und meiner Maschine, als er sich mit seiner BMW im ersten Gang nach oben quält. In Bad Aussee, einer wunderschön in eine Felslandschaft eingebetteten Stadt, meistert er einen ähnlichen Anstieg dann auch selbst.